Medizinische Übersetzung und kulturelle Werte
Ist die medizinische Sprache wirklich so unschuldig, wie wir denken? A priori könnte man meinen, dass die medizinische Übersetzung reine Wissenschaft ist, logisch, objektiv und unwiderlegbar. Als Übersetzungsbüro wissen wir jedoch, dass Übersetzen eigentlich nie eine exakte Wissenschaft ist und dass die vorgefasste Meinung, medizinische Übersetzungen seien lediglich eine Liste offizieller Übersetzungen oder Datenbanken, die von medizinischen Einrichtungen bereitgestellt werden, weit von der Realität entfernt ist.
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Beim nachdenken über diese Idee dokumentierte ich mich ein wenig und stelle ich fest, dass ein Teil der medizinischen Terminologie und Phraseologie mit kulturellen und sozialen Werten verbunden ist. Das bedeutet, dass medizinische Fachübersetzer beim Übersetzen berücksichtigen müssen, dass sich diese kulturellen Eigenschaften von einer Sprache zur anderen ändern können.
Wieder einmal stellen wir fest, dass es bei der Auswahl eines medizinischen Übersetzers nicht ausreicht, dass er die Sprache beherrscht, sondern dass erauch eine Reihe von Übersetzungsfähigkeiten, einschließlich interkultureller Kompetenz, besitzt.
1. Einsatz der Metapher
Obwohl es viele Möglichkeiten gibt, um zu beweisen, dass die medizinische Übersetzung auch eine gewisse kulturelle Komponente hat, werden wir uns auf den Einsatz von Metaphern konzentrieren. Wie José Antonio Díaz Rojo (2005), Forscher am CSIC, hervorhebt, ist die Metapher eine der literarischen Figuren, die die Kultur am besten widerspiegelt, da die Verbindung zwischen zwei Elementen nicht zufällig ist, sondern das Ergebnis von Werten, die für die Kultur charakteristisch sind. Darüber hinaus sollte man nicht vergessen, dass die Metapher auf ihrer tiefsten Ebene nichts anderes als ein anomaler Vergleich zwischen zwei Elementen ist, sie ist also bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Dies kontrastiert mit der angeblichen Objektivität des medizinischen Bereichs.
Wir werden diese Überlegung nun mit einer Reihe von Beispielen illustrieren, die Sie sicherlich in den Medien gehört haben oder regelmäßig verwenden werden, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ausgehend von der von Salager-Meyer (1990) vorgeschlagenen Klassifizierung werden wir uns auf die Kriegsmetaphern, Wirtschaftsmetaphern und materielle Metaphern konzentrieren.
2. Kriegsmetaphern
Als erstes befassen wir uns mit den Kriegsmetaphern, die die wahrscheinlich am weitesten verbreitet sind. In unserer westlichen Kultur assoziieren wir Krankheiten mit Feinden, die es zu bekämpfen gilt. So bekämpfen wir ein Virus, wir bekämpfen eine Krankheit oder wir sind Opfer von Krebs , wir nehmen Antidepressiva (gegen Depressionen), wir haben allergische Reaktionen, wir haben Herzinfarkte oder uns wird eine innovative invasive Technik präsentiert.
Die Kriegsmetapher in der medizinischen Sprache ist nicht nur die am weitesten verbreitete, sondern vielleicht auch die umstrittenste. Viele sind die Autoren, die es wagen, sie zu kritisieren, da sie in bestimmten Fällen, z.B. bei der Krebsbehandlung, negative Auswirkungen auf die Patienten haben kann. Elena Semino, Professorin für Linguistik an der Universität Lancaster, versichert, gestützt auf die These der Schriftstellerin und Philosophin Susan Sontag, dass die Assoziation der Krankheit mit einem Feind „diejenigen, denen es nicht gelingt, sie zu besiegen, dazu bringen kann, sich schuldig, verantwortlich oder demoralisiert zu fühlen“.
Abgesehen von den Kontroversen wissen wir mit Sicherheit, dass sich dieses Phänomen in vielen Sprachen der westlichen Kultur wiederholt. Im Englischen sehen wir zum Beispiel heart attack, to battle a virus o give up the fight (normalerweise in Bezug auf Krebs verwendet) und im Französischen réaction cutanée, technique invasive, intervention chirurgicale oder strátegie thérapeutique.
3. Wirtschaftsmetaphern
Auf der anderen Seite stößt man in der medizinischen Sprache auch auf Wirtschaftsmetaphern, etwas, das einem zumindest neugierig macht, da es sich auf den ersten Blick um zwei Bereiche handelt, die wenig miteinander zu tun haben. Um diese Metaphern zu identifizieren, genügt es, sich mit dem gewohnheitsmäßigen Gebrauch der Sprache zu befassen und sich so bewusst zu machen, dass jeder schon einmal Blut gespendet hat und weiss, dass dieses Blut in einer Blutbank aufbewahrt wird. Jeder weiss, wie bestimmte Medikamente zu verabreichen sind, oder hat Nachrichten gesehen, in denen eine Person das Bewusstsein wiedererlangt hat. Auch in diesen Zeiten von Real food, werden wir sicherlich gehört haben, wie wichtig es ist, den Energieverbrauch und die Energieausgaben auszubalancieren, die Vorteile von Lebensmitteln, die reich an Ballaststoffen oder arm an gesättigten Fettsäuren sind.
Im Fall der Wirtschaftsmetaphern gibt es zwar im Englischen mehr Metaphern als im Deutschen, wie z.B. economic depression, doch man sieht im Deutschen auch einige Beispiele wie Blutspende oder Blutbank, die uns in den Glauben versetzen, dass der Einsatz wirtschaftlicher Begriffe in der medizinischen Sprache ein wiederkehrendes Phänomen in der westlichen Kultur ist. Wie auch im Spanischen sieht man im Französischen mehre Metaphern, wie zum Beispiel riche en calcium, dépense énergétique oder administrer des doses.
4. Materielle Metaphern
Wenn man andere Metaphern bei Seite lässt, wie z.B. Pflanzenmetaphern (Transplantation, Hirnstamm), sind besonders materielle Metaphern interessant. Wenn man die verwendeten Begriffe anatomisch analysiert, findet man eine Vielzahl von Beispielen, die auf die Architekturanspielen, von der Nasenscheidewand bis zur Wirbelsäule, der Darmwand oder dem Aortenbogen. Die Mechanik ist auch sehr präsent, wenn man sich das Herz als einen Motor vorstellt, das Blut pumpt, oder wenn man von Gentechnik spricht.
Wieder einmal wiederholt sich dieses Muster in den beiden von uns erwähnten Sprachen. Im Englischen extrahiert man sehr anschauliche Beispiele wie walls of the lymph vesseks oder spinal column, aber auch im Französischen: colonne vertébral, mécanisme génétique, ventilation mécanique. Der Vergleich zwischen Körper-Maschine und Muster, den man in verschiedenen Sprachen der westlichen Kultur beobachten kann, mag auf den Prozess der industriellen Revolution im frühen neunzehnten Jahrhundert zurückzuführen sein.
5. Annäherung an das Zielpublikum
Nachdem wir diese Beispiele durchgegangen sind, kehren wir zur Ausgangsfrage zurück: Ist die medizinische Sprache wirklich so unschuldig, wie wir denken? Kurz gesagt, ist sie das nicht. Es gibt viele Theorien, die versuchen, den Anspruch oder den Ursprung der Verwendung solcher Metaphern zu erklären. So behaupten einige Autoren, dass die Wahl der medizinischen Begriffe sehr heikel sei, da sie nicht nur kulturelle Züge, sondern auch ideologische Positionen verbergen kann, wie zum Beispiel die Terminologie im Zusammenhang mit der Abtreibung. Obwohl man sich der ideologischen Last der von einem verwendeten Begriffe bewusst sein muss, halte ich es für notwendig, die Komplexität und das Spezialgebiet der Medizin nicht zu vergessen. Die Erklärung, warum solche Metaphern verwendet werden, mag einfach auf den Wunsch zurückzuführen sein, die Medizin dem Laienpublikum auf anschauliche Weise näher zu bringen. Die Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern dieser Praxis im medizinischen Sprachgebrauch ist dicht, aber eines ist klar: die medizinische Sprache hat eine subtile, aber wichtige kulturelle Komponente. Dies bei der Übersetzung im Auge zu behalten, ist wesentlich, um die Bedeutung des Satzes oder Begriffs zu vermitteln.
6. Bibliographie
Aida Kemelmajer de Carlucci (2010). Eine späte Rezension von Susan Sontags Buch „Disease and its Metaphors“ (Krankheit und ihre Metaphern). Viermonatliche Veröffentlichung des Master-Abschlusses in Bioethik und Recht. Zeitschrift für Bioethik und Recht. Nummer 18.- Januar 2010 Seite 47. Abgerufen von: http://www.ub.edu/fildt/revista/pdf/RByD18_Biblio.pdf
José Antonio Díaz Rojo. Terminología médica, cultura e ideología. (Medizinische Terminologie, Kultur und Ideologie). Quaderns de Filologia. Estudis Longüístics. Band X (2005) 31-51. Institut für Wissenschaftsgeschichte und Dokumentation (UV-CSIC).
Zeitung ABC (2010). El negativo impacto de las metáforas bélicas en el cáncer. (Die negativen Auswirkungen von Kriegsmetaphern auf Krebs). Krankheiten ABC, Madrid. Aktualisiert am 23.02.2019. Abgerufen von: https://www.abc.es/salud/enfermedades/abci-negativo-impacto-metaforas-be...
Valentina Marta Rodriguez. Estudio español-francés de la metaforización biomédica en las guías de práctica clínica en el ámbito de las enfermedades raras. (Spanisch-Französische Studie über biomedizinische Metaphorisierung in Leitlinien für die klinische Praxis im Bereich seltener Krankheiten). Zeitschrift für Medizin, Sprache und Übersetzung, Band 17, Nr. 44, 2016, Seite 144-149. Universität Vigo. Abgerufen von: https://www.tremedica.org/wp-content/uploads/n44_tribuna-VMartaRodriguez...
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Licenciada en traducción a falta de Trabajo Fin de Carrera. Gestora de Proyectos y traductora del francés y alemán al español en prácticas universitarias de septiembre 2019 a junio 2020.
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