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Anglizismen in Quebec und Frankreich

Veröffentlicht am: 08/09/2025

Englisch, eine der meistgesprochenen Sprachen weltweit und zentrale Sprache von Handel und Wirtschaft, ist in vielen Ländern Gegenstand von Debatten über seinen Gebrauch in nicht englischsprachigen Gesellschaften. So gehen sowohl Frankreich als auch Quebec mit Anglizismen in ihrer Kultur um: zwischen kulturellem Protektionismus und sprachlichem Pragmatismus. Analysen und Beispiele.

Québec: aktive, institutionalisierte Verteidigung des Französischen

In Québec ist die Erhaltung der französischen Sprache von größter Bedeutung und sogar institutionalisiert. Das OQLF (Office québécois de la langue française), das 1961 gegründet wurde, ist ein konkretes Beispiel dafür. Diese Rolle wurde 1977 durch die Charta der französischen Sprache (Gesetz 101) gestärkt, die Französisch offiziell als Sprache von Verwaltung, Bildung und Handel festlegte.

Warum also die Abneigung gegenüber der englischen Sprache?

Historisch gesehen ist Englisch seit der britischen Eroberung von 1763 die vorherrschende Sprache in Nordamerika. Québec, eine französischsprachige Minderheit in einem englischsprachigen Ozean, betrachtet daher Französisch als einen wesentlichen Identitätsmarker.

Um es zu schützen, stützt sich die Provinz auf strenge Gesetze und die „Französisierung“ englischer Wörter, um einen eigenen Wortschatz zu erhalten. So werden beispielsweise in Québec gebräuchliche Wörter wie e-Mail, spam oder sweatshirt zu courriel, pourriel und chandail. Auch wenn einige dieser Äquivalente zum Schmunzeln anregen, spiegeln sie doch eine echte Herausforderung wider: die Erhaltung der französischen Sprache in einem Kontext, in dem Englisch in der Technologie, der Wissenschaft und im internationalen Handel allgegenwärtig ist.

Die Sprachwachsamkeit in Québec gründet im besonderen historischen und kulturellen Kontext, in dem jedes französische Wort als Akt der Identitätswahrung gilt. Auf der anderen Seite des Atlantiks ist die Situation jedoch ganz anders. Anglizismen zirkulieren frei im Berufs- und Alltagsleben, oft ohne einen Aufschrei zu provozieren.

Aber warum akzeptiert Frankreich diese Anglizismen?

In Frankreich sind Anglizismen in fast allen Bereichen zu finden, insbesondere in der Berufswelt. Ausdrücke wie Start-up, Afterwork, Briefing, Open Space oder Businessplan sind geläufig geworden – selbst bei jenen, die die ‚Sprache Molières‘ verteidigen.

Die Académie française und die offizielle Datenbank FranceTerme veröffentlichen regelmäßig französische Äquivalente: mot-dièse (hashtag), courriel (email), jeu vidéo de tir à la première personne (first-person shooter). Diese Alternativen haben es jedoch schwer, sich durchzusetzen, da sie oft als weniger "schlagkräftig" oder weniger praktisch als die englischen Begriffe angesehen werden.

2022 beklagte die Académie française eine ‚Explosion‘ von Anglizismen in Verwaltung und Medien, da sie eine soziale Kluft erzeugen können – zwischen jenen, die diese Begriffe verstehen, und jenen, die sie erdulden (The Guardian). In der Praxis werden sie jedoch weiterhin massiv eingesetzt, insbesondere in der Werbung, der Mode, der Technologie und im Sport.

Jüngste Beispiele zeigen diese Dualität:

  • Der Versuch, ‚jeu vidéo de tir à la première personne‘ anstelle von First-Person-Shooter (FPS) zu popularisieren, hat die Spieler nicht überzeugt.
  • Das Wort ‚Streamer‘, das auf den Plattformen allgegenwärtig ist, wird trotz offizieller Empfehlungen nur selten durch ‚diffuseur en direct‘ ersetzt.

Zwei Ansätze, ein Ziel

Québec und Frankreich haben eine Gemeinsamkeit: die französische Sprache zu wahren und zu pflegen. Aber ihre Strategien sind unterschiedlich:

  • In Québec ist der Schutz der französischen Sprache eine kulturelle und politische Angelegenheit. Der institutionelle Rahmen, der durch das OQLF verkörpert wird, zielt darauf ab, Anglizismen systematisch zu ersetzen und einen provinzspezifischen Wortschatz beizubehalten.
  • In Frankreich ist die Haltung pragmatischer. Anglizismen sind Teil der Alltagssprache, auch wenn ihr Gebrauch immer wieder zu Diskussionen führt. Institutionen wie die Académie française versuchen, Alternativen vorzuschlagen, aber die Annahme bleibt uneinheitlich.
  • In Belgien hingegen findet die Frage nach Anglizismen nicht statt, da Belgien die Wahrung seiner Amtssprachen (Französisch, Niederländisch, Deutsch) durch die Sprachenfreiheit umsetzt, d. h. die Belgier sind nicht gezwungen, nur eine Sprache in ihrem Land zu verwenden, sondern mehrere, wenn sie dies wünschen. Dies führt auch zu einer sprachlichen Erleichterung für Minderheiten in einigen Gemeinden.
  • In Algerien beispielsweise ist eher eine Tendenz zur Zurückdrängung des Französischen, insbesondere im nationalen Bildungswesen, zu beobachten, um die lokalen Sprachen (Arabisch und Tamazight) zu erhalten, aber man erkennt auch einen aufwärts Trend der englischen Sprache.

All diese Beispiele zeigen die unterschiedlichen Ansätze im Umgang mit Anglizismen (oder anderen Sprachen) und mit dem sprachlichen Erhalt in den genannten Ländern. Einige Länder wie Québec oder Algerien setzen auf den Erhalt ihrer lokalen Sprachen, während andere wie Frankreich oder Belgien pragmatischer vorgehen und mehr Freiraum im Umgang mit sprachlicher Bewahrung zulassen.

Letztendlich spiegeln diese beiden Ansätze unterschiedliche sprachliche Realitäten wider

In Québec ist Englisch ein dominanter Nachbar, den es zu zügeln gilt, in Frankreich ist es ein Einfluss, mit dem man sich arrangiert. In beiden Fällen zeugt die Frage der Anglizismen von einer gemeinsamen Herausforderung: die französische Sprache an die Entwicklungen der Welt anzupassen und gleichzeitig ihre Identität zu wahren. Die Geschichte des Französischen ist nur ein Kapitel in dieser großen Erzählung des Sprachaustauschs.

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Tristan Rochas
Dieser Artikel wurde von Tristan Rochas verfasst, Student im ersten Jahr des Studiengangs Multilinguale Fachübersetzung an der Universität Grenoble Alpes mit den Schwerpunkten Englisch und Japanisch. Er hat eine Leidenschaft für die japanische Sprache und Kultur und möchte in Japan studieren und seine berufliche Zukunft dort aufbauen.

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