Geschenke: Warum sie nie eine harmlose Geste sind

Schenken gehört zu den ältesten und universellsten Gesten der Menschheit. Seit jeher steht das Schenken für Dankbarkeit, Anerkennung und den Wunsch nach Verbindung. Obwohl sich Gegenstände, Formen und Rituale im Laufe der Jahrtausende gewandelt haben, bleibt der Sinn des Schenkens derselbe: dem anderen zu zeigen, dass er uns wichtig ist, und Dankbarkeit auszudrücken.
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Alte Ursprünge: von der Muschel bis zum Weihnachtsbaum
Die Geschichte der Geschenke ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon in der Vorgeschichte tauschten Menschen Muscheln, Tierzähne oder geschliffene Steine, als Zeichen von Bündnis, Verführung oder Dankbarkeit. Schmuckstücke aus Südafrika, die über 100.000 Jahre alt sind, zeugen von diesen frühen symbolischen Gesten.
In der Antike wird das Schenken rituell und sozial. In Ägypten wurden den Göttern und den Pharaonen viele Opfergaben dargebracht. In Griechenland und Rom gehörten Geschenke zu Volksfesten wie den Saturnalien zu Ehren des Gottes Saturn, bei denen man Figuren oder getrocknete Früchte austauschte und soziale Schranken zeitweise aufgehoben waren. Die Römer prägten zudem die „strenae“, die Vorläufer unserer Neujahrsgeschenke.
Im Mittelalter galten Geschenke als Zeichen der Loyalität. Vasallen überließen ihrem Herrn einen Teil ihres Besitzes, während die königlichen Höfe mit diplomatischen Geschenken wie Schmuck, Stoffen oder Pferden ihr Prestige betonten.
In der Moderne wird das Schenken zur individuellen Geste. Bürgerliche Familien begannen, persönliche Geschenke wie Bücher, Porträts oder Schmuck zu überreichen. Im 19. Jahrhundert wurden Weihnachtsgeschenke in Europa und Amerika mit dem Aufkommen des Weihnachtsbaums und des Weihnachtsmanns populär.
Heute ist das Schenken zugleich gesellschaftlicher Brauch, persönliche Freude und globaler Milliardenmarkt. Doch seine wichtigste Funktion bleibt: Verbindungen zu stärken. In vielen Kulturen werden auch die Toten weiterhin beschenkt. In Lateinamerika stellen Familien am „Día de los Muertos“ Opfergaben auf Altäre, darunter Blumen, traditionelle Speisen, Gegenstände oder die Lieblingsgetränke der Verstorbenen, um ihr Andenken zu ehren und die symbolische Verbindung zu bewahren. Ähnliche Gesten finden sich auch in anderen Traditionen, etwa in Form von Opfergaben in asiatischen Tempeln. Geschenke tragen eine Geschichte und universelle Symbolik: Ob Zeichen der Zuneigung, des Respekts oder zum Gedenken – ihr Zweck bleibt derselbe: zu verbinden.
Die Sicht auf Geschenke in verschiedenen Kulturen
Obwohl das Geschenk universell ist, variieren seine Codes stark von einem Kontinent zum anderen:
- In Asien ist das Schenken stark ritualisiert. Die Verpackung ist manchmal wichtiger als der Gegenstand. In China gelten Farben wie Rot und Gold als Glücksbringer, andere hingegen sollten vermieden werden. Geschenke sollten niemals zu viert überreicht werden, da die Zahl vier mit dem Tod assoziiert wird. In Japan ist es aus Bescheidenheit unüblich, ein Geschenk in Anwesenheit des Gebenden zu öffnen. Ebenso gilt es als unhöflich, ein Buch nur mit einer Hand zu halten – beide Hände sollten verwendet werden.
- In der westlichen Welt ist Schenken meist spontan und an große Feste wie Weihnachten, Geburtstage, Hochzeiten oder Mutter- und Vatertag gebunden. Dabei spielt oft auch Humor eine Rolle, etwa bei sogenannten Gadget-Geschenken.
- In Afrika ist das Schenken häufig ein kollektiver Akt. Lebensmittel, Vieh oder Stoffe werden gegeben, um Solidarität zu stärken und die Gemeinschaft zu tragen.
- Im Nahen Osten gilt das Überreichen von Geschenken vor allem als Ausdruck von Gastfreundschaft und Respekt. Im Nahen Osten steht das Schenken vor allem für Gastfreundschaft und Respekt.
Geschenke gibt es in vielen Formen:
- Materielle Geschenke (Schmuck, Bücher, Kleidung).
- Immaterielle Geschenke (Reisen, Erfahrungen, Abonnements).
- Lebensmittel (Wein, Tee, Gebäck).
- Symbolische Geschenke (Blumen, Kunsthandwerk, religiöse Objekte).
Auch die Anlässe sind unterschiedlich: Vom Mondneujahr in Asien über Weihnachten in Europa und Amerika bis zu Eid al-Fitr und Eid al-Adha in der muslimischen Welt sowie Hochzeiten und Übergangsriten in Afrika. Jede Kultur verleiht dem Schenken ihren eigenen Rhythmus und ihre eigenen Werte.
Tabus beim Schenken
Geschenke verbinden Menschen, können sie aber auch trennen, wenn sie unpassend gewählt oder überreicht werden.
Die Wahl des Geschenks :
Bestimmte Geschenke sind kulturell negativ besetzt:
- In China symbolisiert das Verschenken einer Uhr den Tod.
- In Italien steht das Verschenken eines Messers für den Bruch einer Beziehung.“
- In Russland ist eine gerade Anzahl von Blumen ausschließlich für Beerdigungen bestimmt.
- In westlichen Ländern kann ein zu teures Geschenk den Empfänger in Verlegenheit bringen und ein Gefühl der Verpflichtung auslösen.
Wie man schenkt
Die Geste ist genauso wichtig wie das Objekt. In vielen Kulturen gilt es als nachlässig, ein Geschenk unverpackt zu überreichen. In muslimischen Ländern und in Indien gilt es als Fehler, ein Geschenk mit der linken Hand zu überreichen, da diese als unrein betrachtet wird. Ein Geschenk mit Preisschild zu überreichen, gilt allgemein als unhöflich.
Die Art der Annahme
Auch beim Annehmen eines Geschenks gelten unausgesprochene Regeln. In China oder Japan wird es nicht sofort geöffnet. Ein Geschenk abzulehnen, kann als Beleidigung empfunden werden. Und überall gilt es als unhöflich, keine Dankbarkeit zu zeigen – sei es mit einem Lächeln, einem Wort oder einer Karte.
Soziale und symbolische Aspekte
In manchen Kulturen verlangt ein Geschenk eine Gegengabe; bleibt sie aus, gilt das Gleichgewicht als gestört. In westlichen Ländern gilt das Weiterverschenken eines erhaltenen Geschenks (re-gifting) als stark verpönt, sobald es entdeckt wird. Ein Geschenk, das als eigennützig empfunden wird – etwa zum Zweck von Einflussnahme, Bestechung oder Manipulation –, wird überall verurteilt. Meistens ist ein Geschenk frei von der Erwartung einer Gegenleistung.
Fazit
Ein Geschenk zu überreichen ist eine universelle, aber niemals harmlose Geste. Hinter jedem Objekt, jeder Erfahrung oder jedem Symbol steckt eine soziale Sprache aus Codes, Traditionen und Tabus. Ein Geschenk richtig zu überreichen und richtig anzunehmen, erfordert die Anpassung an eine Kultur und, in der Welt der Übersetzungen, die Lokalisierung. Aus diesem Grund ist es auch sehr wichtig, über die Kultur des Landes, in das wir reisen oder in das wir übersetzen, gut informiert zu sein. Diese Geste, die mit den ersten Menschen auftauchte und sich durch alle Epochen hindurchzog und immer fortbestehen wird, bleibt eine wesentliche Art und Weise, dem anderen zu sagen: „Du bist mir wichtig“.
Dieser Artikel wurde von Tristan Rochas verfasst, Student im ersten Jahr des Studiengangs Multilinguale Fachübersetzung an der Universität Grenoble Alpes mit den Schwerpunkten Englisch und Japanisch. Er hat eine Leidenschaft für die japanische Sprache und Kultur und möchte in Japan studieren und seine berufliche Zukunft dort aufbauen.
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