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Sprachliche Anforderungen für Medizinprodukte in der Schweiz

Veröffentlicht am: 04/07/2023

Einleitung

Die Schweiz ist offiziell mehrsprachig und hat vier Amtssprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Deutsch ist die am weitesten verbreitete Sprache, wobei sich das Schweizerdeutsch, ein ausgeprägter Dialekt, der wesentliche Unterschiede zum Standarddeutsch aufweist. Schweizer Französisch wird vor allem in der westlichen Region gesprochen, während Italienisch im Süden, insbesondere im Tessin, seinen Platz hat. Rätoromanisch, ein Abkömmling des Lateinischen, wird von einem kleinen Prozentsatz im Südosten gesprochen. Obwohl es weniger gesprochen wird, hat das Romanische einen kulturellen Wert.

In unserem anderen Blog haben wir bereits gesehen, dass es für Hersteller von Medizinprodukten etwas verwirrend sein kann, wenn es um die Sprachanforderungen der Medizinprodukteverordnung in mehrsprachigen Ländern wie Belgien geht. Es ist nicht immer einleuchtend welche Sprache für die jeweiligen Produktinformationen verwendet werden sollte. Heute werden wir das wohl berühmteste mehrsprachige Land auf EU-Boden genauer unter die Lupe nehmen: Die Schweiz.

Seit 2001 ist die Medizinprodukteverordnung (MepV) in Kraft, um Medizinprodukte zu regulieren. Seit die EU die Medizinprodukteverordnung 2017/745 eingeführt hat, hat die Schweiz ihren Rechtsrahmen für Medizinprodukte geändert, damit die schweizer Gesetzgebung im Einklang zur europäischen steht. Die Schweiz ist kein EU-Mitglied, aber das Bundesamt für Gesundheit erklärt:
„In den letzten Jahren hat die EU die Anforderungen an Medizinprodukte verschärft, um die Qualität und Sicherheit dieser Produkte zu verbessern.. Die EU-Verordnungen über Medizinprodukte (MDR) und über In-vitro-Diagnostika (IVDR) sind am 26. Mai 2017 in Kraft getreten.
Die Schweiz hat ihre Gesetzgebung in gleicher Weise angepasst, um sie auf diejenige der EU abzustimmen.“ 

Swissmedic ist das schweizerische Heilmittelinstitut und die zuständige Behörde. Sie ist für die Zulassung, Überwachung und Kontrolle von Medizinprodukte im Land zuständig. Es gibt noch einige Unterschiede bei der Marktüberwachung, von der die Schweiz ausgeschlossen wurde. In Bezug auf die sprachlichen Anforderungen stimmen jedoch sowohl die MDR als auch das Schweizer Recht überein.

Am 26. Mai 2022 aktualisierte und veröffentlichte der Schweizer Bundesrat die Medizinprodukteverordnung, die bis heute uneingeschränkt gilt.

Sprachanforderungen für Kennzeichnungen und Gebrauchsanweisungen (IFUs)

Die MepV ist in mehrere Abschnitte und Artikel unterteilt. Einschlägige Informationen zu den sprachlichen Anforderungen für die Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung finden Sie in Abschnitt 2, Artikel 16: „Produktinformation“, die sich auf die Informationen beziehen, die der Hersteller dem Anwender oder Patienten bereitstellt.

„Sie muss in den drei Amtssprachen abgefasst sein. Symbole, die durch technische Normen konkretisiert sind, können sprachliche Aussagen ersetzen. – Art. 16(2) Medizinprodukteverordnung 

Gleichzeitig legt das Schweizer Recht fest, dass Produktinformationen in weniger als den drei Amtssprachen der Schweiz oder auf Englisch abgefasst sein können wenn: 

„a.) das Produkt ausschliesslich Gesundheitsfachpersonen abgegeben wird oder es sich beim Produkt um eine Sonderanfertigung oder um ein Produkt nach Artikel 9 handelt;

b.) die Anwenderin oder der Anwender die notwendigen fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen mitbringt und damit einverstanden ist;

c.) der Schutz von Patientinnen und Patienten, von Anwenderinnen und Anwendern sowie Dritter gewährleistet ist; und

d.) die wirksame und leistungsbezogene Anwendung nicht gefährdet wird." – Art. 16(3) Medizinprodukteverordnung 

Die Frage, wer, wann und was in bestimmten Situationen übersetzt werden sollte, ist Auslegungssache. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen, dass es Ausnahmen gibt, in denen die Information auf Englisch oder in nur einer Amtssprache abgefasst sein können, sofern sichergestellt ist, dass niemand zu Schaden kommt und der professionelle Anwender alle Produktinformationen einwandfrei versteht.

Sollte dies nicht der Fall sein, sind „auf Ersuchen [der Anwender*innen] zusätzliche Informationen in einer der Amtssprachen abzugeben.“

Sprachanforderungen für Konformitätszertifikat und Konformitätserklärung

Ein Konformitätszertifikat (Certificate of Conformity, CoC) wird von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle bzw. bennanten Stelle ausgestellt und bestätigt, dass ein Produkt bestimmte gesetzliche Standards erfüllt. Es bietet eine externe Validierung durch strenge Test- und Prüfverfahren. In der Schweiz wird dieses Dokument „Konformitätsbescheinigung“ genannt. Im Gegensatz dazu ist eine Konformitätserklärung (DoC), ein Dokument, das vom Hersteller oder seinem Bevollmächtigten ausgestellt wird und in der die Konformität des Produkts mit den Vorschriften bestätigt. Beide Dokumente spielen eine wichtige Rolle beim Nachweis der Einhaltung von Vorschriften, wobei das CoC eine externe Validierung bietet und die DoC die Verpflichtung des Herstellers widerspiegelt.

Für beide gibt es auch gesondert geregelte Sprachanforderungen in der Schweiz. Für die Konformitätsbescheinigung in der Schweiz wie folgt:

„Die Bescheinigungen sind in einer der drei Amtssprachen oder in englischer Sprache auszufertigen.“ – Art. 25(2) Medizinprodukteverordnung 

Und für die Konformitätserklärung in der Schweiz:

„Die Konformitätserklärung enthält die Angaben nach Anhang IV EU-MDR68, unter Berücksichtigung der Änderungen dieses Anhangs, die von der Europäischen Kommission mittels delegierter Rechtsakte69 vorgenommen werden. Sie ist in einer der drei Amtssprachen oder in Englisch abzufassen oder in eine dieser Sprachen zu übersetzen.“ - Art.29(2) Medizinprodukteverordnung 

Das heißt, wenn die Arbeitssprachen Ihrer benannten Stelle nicht eine der Amtssprachen der Schweiz sind, besteht Überseztungsbedarf. Gleiches gilt für die DoC, es sei denn, Sie als Hersteller haben sie auf Englisch ausgestellt.

Sprachanforderungen für den Implantatausweis

Gemäß der MDR-Verordnung sind Implantatausweise für implantierbare Medizinprodukte erforderlich, die für eine langfristige Verwendung vorgesehen sind und die ein erhebliches Risiko bergen, wenn ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtigt ist oder sie nicht ordnungsgemäß verwendet werden. Die Informationen, die auf dem Implantatasuweis enthalten sein müssen, sind in Artikel 18 der MDR aufgeführt. 

Im Einklang damit besagt die schweizer Verordnung

„Der Implantationsausweis muss in den drei Amtssprachen abgefasst sein.“ – Art. 20(2) Medizinprodukteverordnung 

Im Gegensatz zu allgemeinen Produktinformationen, bei denen die Hersteller die Möglichkeit haben, die Sprache zu wählen, die sie bevorzugen, lässt der Implantatausweis keinen Spielraum. Es ist zwingend notwendig, dass die Implantatausweis sämtliche Informationen in allen drei Sprachen enthält.

Sprachanforderungen Sicherheitsanweisung im Feld (FSN)

Was die FSN betrifft, so besagt die Medizinprodukteverordnung (Art. 90(g)) lediglich, dass der EU-MDR-Artikel 89(8) einzuhalten ist. Deshalb:

„Die Sicherheitsanweisung im Feld ist in einer Amtssprache oder in Amtssprachen der Union abzufassen, entsprechend der Vorgabe durch den Mitgliedstaat, in dem die Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld ergriffen werden.“

Wir können also das gleiche Verfahren wie für den Implantatausweis in der Schweiz anwenden, und die Hersteller müssen sie entsprechend den regionalen Sprachbedürfnissen übersetzen, und zwar umfassend, um sicherzustellen, dass der vorgesehene Anwender alles versteht. 

Verantwortung für die Einhaltung der Sprachanforderungen

Um die Einhaltung der sprachlichen Anforderungen zu gewährleisten, liegt es in der Verantwortung der Hersteller und Händler, professionelle Übersetzungsunternehmen zu beauftragen, die Qualitätsstandards wie ISO 9001, ISO 17100 und die wichtige ISO 13485 für Medizinprodukte erfüllen. Diese Standards gewährleisten genaue Übersetzungen, wie sie von den MDR-Anforderungen gefordert werden.

Bei Medizinprodukten mit Risikoklasse IIb oder gar Klasse III ist es besonders wichtig, einen auf medizinische Fachübersetzung spezialisierten Prozess gesetzt wird, der qualifizierten Übersetzer einschließt. Durch diese Maßnahmen können Hersteller und Händler die erforderlichen Übersetzungsstandards einhalten und so die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten verbessern.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mehrsprachigkeit der Schweiz eine Herausforderung für die sprachlichen Anforderungen an Medizinprodukte darstellt. Die Medizinprodukteverordnung ist an die EU-Vorschriften angepasst, und Swissmedic überwacht die Zulassung und Kontrolle. Die Produktinformationen müssen in allen drei Amtssprachen abgefasst sein, wobei es in bestimmten Fällen Ausnahmen gibt. Konformitätsbescheinigungen und Konformitätserklärungen können in den Amtssprachen oder in Englisch abgefasst werden, ein Übersetzungsbedarf ist möglich. Die Implantatausweise müssen in allen drei Sprachen abgefasst sein, während die Sicherheitsanweisung im Feld von den jeweils geltenden regionalen Vorschriften bestimmt werden. Hersteller sollten professionelle Übersetzungsdienste für Medizinprodukte in Anspruch nehmen, um die Einhaltung der Vorschriften und genaue Übersetzungen zu gewährleisten, insbesondere bei Medizinprodukten mit hoher Risikoklasse.


Die Einhaltung der sprachlichen Anforderungen ist entscheidend für eine effektive Kommunikation und das Verständnis der Informationen über Medizinprodukte in der Schweiz. Indem sie sich um genaue Übersetzungen bemühen und die Sprachstandards einhalten, können die Hersteller zur allgemeinen Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten auf dem Schweizer Markt beitragen.


 

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Alejandra Keller

Alejandra Keller, deutsche Staatsbürgerin, ist deutsche und spanische Muttersprachlerin und verfügt über sehr gute Englischkenntnisse. Sie hat einen Abschluss in Übersetzen von der Universität Heidelberg und hat in Deutschland, den Vereinigten Staaten, Irland, Spanien und Peru gelebt und studiert. Mit einer Leidenschaft für interkulturelle Kommunikation arbeitet sie derzeit als Projektmanagerin bei AbroadLink.

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